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"Der Gemeinderat": Die Netz-Schnecke in Gang bringen!
Infrastrukturprogramm – hier denken viele an Schlaglochstraßen, marode Brücken und sanierungsreife Schulen. Dabei geht es auch um den Ausbau der Datennetze. Schnelle Internet-Zugänge könnten schon viel weiter verbreitet sein, wenn neben dem Staat auch private Investoren ins Boot geholt würden. Ein Beitrag von Steffen Leiwesmeier, Leiter Breitbandfinanzierung bei der HSH Nordbank in Hamburg für die Fachpublikation "Der Gemeinderat".
Besonders hart trifft es die mittelständischen Betriebe, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, wenn hochleistungsfähige Internet-Zugänge fehlen. Sie können im ländlichen Raum häufig die Anforderungen von Industrie 4.0 nicht erfüllen. Im schlimmsten Fall müssen sie abwandern oder gleich ganz schließen.
Der Staat hält sich bislang bedeckt und reagiert auf Hilferufe von Bürgermeistern und Landräten unkoordiniert. Resultat: Zuschüsse nach dem Gießkannen-Prinzip.
Für die zu geringe öffentliche Aktivität mag es viele Gründe geben, einer dürfte sein: Es herrscht in Deutschland ein ver- gleichsweise traditionelles Verständnis davon, wie Investitionen in die Infrastruktur realisiert werden sollen. Ob es sich um den Bau eines Flughafens oder die Sanierung einer Autobahn handelt – Projekte dieser Größenordnung im öffentlichen Raum bleiben bislang meist in staatlicher Hand oder sollen über Subventionen gelenkt werden. Nur in Ausnahmefällen sind pri- vate Partner mit an Bord. Dabei könnten gerade durch das Zusammenspiel von staatlichen und privaten Partnern zusätzliche und auch großvolumige Projekte um- gesetzt werden und so die Investitionstätigkeit insgesamt gesteigert werden.
Infrastrukturprojekte bieten viel versprechendes Potenzial, in eine sichere Ren- dite zu investieren – sei es in Straßen und Schienen oder eben in Highspeed-Netze des Telekommunikationssektors. Der Faktor Zeit spielt bei letzteren im internati- onalen Wettbewerb eine entscheidende Rolle. „Nur wenn wir jetzt beginnen, die Netze zu bauen, die wir spätestens in zehn Jahren zweifelsfrei benötigen, haben wir eine Chance, diese riesige Aufgabe im In- frastrukturausbau fristgerecht zu lösen“, sagt Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) .
Angesichts der Herausforderungen bei öffentlichen Investitionen ist eine Professionalisierung der gesamten Organisation und des Risikomanagements notwendig. Das gilt insbesondere auch für den Ausbau von Breitbandnetzen und Data Centern in Deutschland. Das Problem dabei:
Das Land droht bei der modernen Datentechnik auf einem Stand zu verharren, der schon in fünf Jahren überholt sein wird. Dies schadet der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Die Beteiligung privater Investoren ist ein Vorteil, den Deutschland bisher noch wenig nutzt. Hierzulande sind es eher einzelne Pioniere, die für eine schnellere Gangart sorgen. Nur sehr wenige Bürgermeister und Landräte, die ein Highspeed-Netz schaffen wollen, trauen sich auf die Eigeninitiative privater Projektbetreiber zu setzen. Denn das heißt: ausdrücklicher Verzicht auf Subventionen.
Jordi Nieuwenhuis, Geschäftsführer der Deutschen Glasfaser in Borken, einem der führenden privaten Betreiber in Deutschland, stellt fest: „Wir sind noch nie in den Genuss von Subventionen gekommen und sind trotzdem erfolgreich.“ Sein Unternehmen gehört zu den Pionieren, die mit ihren Erfahrungen in Lücken stoßen. Es erhielt kürzlich den FTTH-Award Europe.
Ein anderes Beispiel ist das Telekommunikations- und Breitbandunternehmen DNS-Net Internet Service mit Sitz in Berlin. Die HSH Nordbank hat mit diesem, wie auch mit der Deutschen Glasfaser, 2016 eine langfristige Finanzierung zum Ausbau von Glasfasernetzen vereinbart. DNS-Net betreibt inzwischen mehrere eigene Glasfaserringe und Rechenzentren im Raum Berlin-Brandenburg und konzentriert sich dabei auf „weiße Flecken“ in der Peripherie und unterversorgte ländliche Gebiete in den angrenzenden Bundesländern.
NEUE NETZE WERDEN JETZT GEBRAUCHT
Solche Unternehmen, die mit Pioniergeist viel bewegen, sind eine gute Zielgruppe für Banken und Versicherungen. Denn für die Datennetze gilt mehr noch als für sonstige öffentliche Vorhaben: Am Anfang steht eine große Investition – es kostet viel Geld, ein Glasfasernetz zu verlegen. Doch danach halten sich Kosten und Risiken in Grenzen. Wenn das Leerrohr erst ein- mal in der Erde liegt, wird zunächst ein Kabelbündel „durchgeschossen“. Wächst der Bedarf, können weitere Kabel problemlos „nachgeschossen“ werden. Natür- lich kommt es dann auf den Anstieg der Anschlussquoten der Nutzer an. Sie lassen die Rendite in die Höhe schnellen.
Sobald deutlich höhere Bandbreiten verfügbar sind, werden diese auch nachgefragt und genutzt – vorher gar nicht absehbare, neue und innovative Anwendungen entstehen. „Abwarten, bis die Nachfrage einen lukrativen Massenmarkt entstehen lässt, hätte fatale Folgen: Wir brauchen die Netze für die innovativsten Unternehmen mit den höchsten Qualitätsanforderungen bereits viel früher, wenn wir von den Wachstumsbereichen der Digitalisierung profitieren wollen“, unterstreicht Jürgen Grützner vom VATM. Investitionen in die Netzinfrastruktur kommen der Allgemeinheit zugute, bieten jenseits aller ökonomischer Kriterien auch einen Imagegewinn. Banken und Versicherungen leisten einen Beitrag, die Lücke bei den öffentlichen Infrastrukturinvestitionen zu schließen – das heißt: Sie können finanzieren und Mehrwerte stiften. Damit die Netz-Schnecke Deutschland in Gang kommt...
DER AUTOR
Steffen Leiwesmeier ist Leiter Breitbandfinanzierung bei der HSH Nordbank in Hamburg (steffen.leiwesmeier@hsh-nordbank.com)